Der Höschendieb

Lange schaute ich ihr nach, dem Mädchen meiner Träume. Immer wenn ich sie von Weitem erblickte, nahm ich mir vor sie anzusprechen. Doch dann versagte meine Stimme, mein Herz pochte heftig und mir stieg die Röte ins Gesicht. Freundlich lachend grüßte sie mich, wenn sie so kess und aufreizend an mir vorüber wippte, dabei schaute dieses süße Mädchen mir frech in die Augen. Jedes Mal senkte ich den Blick, weil ich ihrem nicht standhalten konnte. Jedes Mal fühlte ich mich beschämt und der Mut verließ mich sofort. Dann schwankte ich kraftlos mit zittrigen Beinen hinter ihr her. Wir gingen in die selbe Schule. Ich war in der Oberstufe und stand kurz vor dem Abitur. Das Abi schaffte ich mit Links, da war ich mir sicher, nur meinen Traum anzusprechen, das schaffte ich nicht. Das Mädchen verursachte mir schlaflose Nächte und wenn ich dann doch einmal tief und fest eingeschlafen war, dann tanzte sie vor meinem inneren Auge und verursachte einen feuchten Traum. Oft zerwühlte ich dabei die Kissen und das Oberbett, als hätte ich nachts einen wahrhaftigen Kampf mit mir ausgefochten. Zudem schwitze ich maßlos, so dass mein Shirt morgens an meinem Oberkörper klebte, als sei es von einem Regenguss durchnässt worden. Pubertär konnte ich das nicht mehr nennen, ich war besessen von dem Mädchen, dessen Name ich nicht kannte, nicht wusste wo sie wohnte und seit wann sie unsere Schule besuchte. Aber ich kannte ihr Gesicht, ihr Aussehen und das haute mich jedes Mal um. Mehrmals in der Woche traf ich mich mit meinen Freunden, meistens nach dem Fußballtraining. Oft hingen wir planlos im Park herum, diskutierten und tranken dabei auch schon mal eine Flasche Bier, oder zwei oder drei. Dadurch wurden unsere Gespräche lockerer, wir lachten und scherzten über die Lehrer, aber vor allem über die Mädchen. Einige Jungs hatten bereits eine feste Freundin, sie hielten sich zurück, nicht unbedingt aus Respekt, eher aus Furcht vor der Angebeteten, denn Ärger wollte sich niemand einheimsen. Nur manchmal berichtete irgendwer von seinem Liebesleben und dann wollte keiner mehr hinten anstehen. Es wurde alles ausgeplaudert, was die Erfahrung hergab. Eigentlich konnte ich in dieser Hinsicht nicht mitreden. Eine Freundin hatte ich nicht, auch das besagte erste Mal lag noch vor mir, doch diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Ich wusste nicht, was mich geritten hatte, aber ich verbarg meine Jungfräulichkeit so gut ich konnte und gab mit sexuellen Phantasien an, von denen ich nur träumte aber körperlich keine Ahnung besaß. Auf einmal wurde es ganz still und meine Freunde lauschten gespannt, auf das, was ich berichtete. Welch eine fatale Angelegenheit. Die Fragen, die ich nun beantworten sollte, denen konnte ich nicht mehr aus dem Weg gehen, und ausgerechnet der größte Frauenheld unter uns schlug mir auf die Schulter und sagte: „Mensch Richy, dass du so still und heimlich die Frauen vernascht, dass hätte ich nicht von dir gedacht. Welche von den hübschen Damen hast du denn schon auf die Matratze gelegt?“ Sein Lachen war anstößig und vulgär, doch alle anderen lachten mit und stimmten der Frage zu, die ich nun beantworten sollte. „Darüber redet ein Mann, der genießt, doch nicht“, antwortete ich mit unwohlem Gefühl in der Brust. „Ich rede über keine Errungenschaften, sie sollen alle ihren guten Ruf behalten.“ „Oh, ein Gentleman, wie anständig“, rief Viktor, „aber was du da von dir gibst, das glaubst du doch selber nicht, oder?“ „Los, sag schon, wen hast du flachgelegt?“ Ich schwieg und nuckelte an meiner Flasche. Viktor stand auf, warf einen Blick in die Runde, dann trafen mich seine zusammengekniffenen Augen und er schnaufte wütend: „Bring uns einen Beweis, dass du eine von ihnen gevögelt hast, sonst glauben wir kein Wort von dem, was du da erzählst.“ Mir wurde übel. „Was soll ich?“ stammelte ich, „du hast wohl zu viel getrunken? Was soll der Mist? Wie soll ich euch das denn beweisen? Wollt ihr zusehen?“ „Das wäre eine gute Idee“, lachte Robin, „aber ich glaube kaum, dass ihr Zuschauer zulassen würdet.“ „Nein, bestimmt nicht“, entgegnete ich kleinlaut. „Darum bring ihr Unterhöschen mit, beim nächsten Treffen, oder kommst du jetzt nicht mehr, du Feigling“, forderte Viktor energisch. Mit einem Satz stand ich vor Viktor, bäumte mich vor ihm auf und schrie ihn an: „Du hast sie ja nicht mehr alle, aber gut, ich werde dir den Beweis bringen.“ Alle klatschten Beifall, tuschelten noch eine Weile doch dann sprach niemand mehr davon. Oh, nein“, fluchte ich heimlich, was hatte ich nun schon wieder angestellt? Jetzt steckte ich richtig in der Klemme. Wie sollte ich an ein Unterhöschen kommen? Sicher, es gab Möglichkeiten, zum Beispiel könnte ich eines kaufen, doch das würde auffallen, da es noch nicht getragen wurde. Auch könnte ich eines von der Wäscheleine klauen, aber wenn ich dann eine falsche Größe erwischte, oder der frisch gewaschene Slip nicht zählte? Mein Problem war größer als ich vermutete. Zum ersten Mal in meinem Leben verfluchte ich es, dass ich einen Bruder hatte, dass meine Mutter nicht gerade sexy Unterwäsche trug, auch dass es keine Nachbarin gab, die mir vielleicht bei meinem Problem hätte behilflich sein können. In dieser Nacht schlief ich besonders schlecht. Meine Traumfrau erschien mir auch gar nicht erst, als wüsste sie von dem Attentat, dass ich plante. Mir blieb aber keine andere Wahl. Der Schulweg am Morgen war besonders lang, ich hegte auch nicht die Absicht, mich wahrhaftig in die Schule zu begeben. Jedem Mädchen, dem ich begegnete ließ mein Problem wachsen. Und dann stand sie vor mir. Sie, die die Ursache meiner Schwierigkeiten war. Frech und kess wie immer grinste mich ihr hübsches Gesicht an, dabei warf sie ihren Kopf in den Nacken, ließ ihre rechte Hand durch ihr langes blondes Haar gleiten und ihre liebliche Stimme drang in meine Ohren: „Hallo, du siehst aber niedergeschlagen aus, heute Morgen, geht es dir nicht gut?“ Ich erschrak, sprach sie wirklich in einem ganzen Satz mit mir? Verdutzt schaute ich sie an, dann nickte ich und hoffte, sie möge mir ihren verfluchten Slip freiwillig geben. „Kann ich dir helfen?“ Ihre Frage löste meine Zunge. „Ja, dass kannst du“, erwiderte ich mit einem Räuspern, „magst du dich mit mir treffen? Heute Nachmittag, sagen wir um drei, am Brunnen?“ „Aber gerne“, hörte ich und glaubte nicht, was da vor sich ging. „Bis nachher dann“, rief sie im Gehen und verschwand im nächsten Klassenraum. „Habe ich das gerade wirklich getan? Habe ich wirklich mit ihr gesprochen? Habe ich gerade ein Treffen ausgemacht?“ Ich sprach mit mir selbst und war völlig verwirrt. Aber dann machte ich einen Luftsprung und freute mich riesig, dass ich endlich den Mut hatte, mich wie ein Mann zu benehmen. Viktor saß bereits an seinem Platz, als ich in die Klasse kam, starrte mich an und dann stichelte er: „Na du Gigolo, treffen wir uns heute Abend im Park? Mit einem süßen kleinen Unterhöschen?“ Ich grinste und zeigte ihm meinen Mittelfinger. Viktor antwortete mit seinem. Die Stunden vergingen nicht, unruhig rutschte ich auf meinen Stuhl herum, die Hände waren feucht und auch die schlaflose Nacht machte sich bemerkbar. Endlich klingelte es zum Schulschluss und ich flüchtete so schnell wie möglich nach Hause. Niemanden wollte ich auf dem Heimweg begegnen, am allerwenigsten den Idioten, die mir mit ihrer Forderung im Nacken hockten. Hastig schlang ich ein paar Happen des Mittagessens hinunter, irgendwie wollte mein Magen das Futter nicht, darum schnappte ich mir nur eine Flasche Saft und verzog mich in mein Zimmer. Nach einer Weile konnte ich mich auf den Weg machen, denn die Uhr zeigte mir, dass es bald drei Uhr sein würde. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien und es war warm, ein herrlicher Frühsommer, so wie es zur Situation passte. Nervös aber gut gelaunt lief ich durch die Stadt bis zum Brunnen, wo ich auf meine Traumfrau stoßen sollte. Und da stand sie. Schön, anmutig und sexy. Ihr kurzes Kleid war geradezu einladend, als ob sie von meinem Vorhaben wusste. Ohne ein Wort, nahm ich ihre Hand, bewegte mich von dem Brunnen fort und zog das süße Mädchen hinter mir her. „Wo willst du denn hin? Du hast es aber eilig hier wegzukommen?“ Ich nickte und sagte: „Ja, so schnell wie möglich, ich möchte gerne mit dir alleine sein.“ „Wohin zerrst du mich denn so unsanft?“ „Ach, ist nicht so weit, nur bis zu den Bäumen im Park.“ Schweigend ließ sie es geschehen. Dort angekommen setzte ich mich unter dem großen Kastanienbaum, zerrte noch immer an ihrer Hand und nun kniete meine Versuchung neben mir. Mit einem derben Schubser legte ich sie auf den Rücken, dabei rutschte ihr Kleid hoch und ich konnte ihr reizendes Unterhöschen sehen. Flugs griff ich nach diesem und zog es ihr mit einem Ruck aus, ohne auch nur einen Blick in ihr Gesicht zu werfen. Ich wollte das Entsetzen in ihren Augen gar nicht sehen. Nach diesem Attentat rannte ich, so schnell ich konnte aus dem Park.Du Unterhosenfetischist, du Mistkerl“, hörte ich sie schimpfen, aber ich drehte mich nicht einmal um, mehr aus Scham als aus Freude über mein Beweisstück, dass ich nun präsentieren konnte. Als hätte ich das nächste Übel geahnt, denn so ein geraubter Slip kann nichts Gutes verheißen. Abends traf ich mich mit meinen Freunden, denen ich stolz das Stückchen Stoff zeigte. Ehre und Achtung wurden mir zuteil, aber als es die Runde machte, steckte Viktor den Slip in seine Hosentasche und gab ihn nicht mehr her. Betteln und Drohungen nutzen nichts, er blieb in seiner Tasche verschwunden. Auch in dieser Nacht schlief ich schlecht. Ich hatte Gewissensbisse. Wie konnte ich dem Mädchen meiner Träume nur so etwas antun? Niemals mehr würde ich ihr in die Augen sehen können. Das brauchte ich auch nicht, denn von dem Tage an, mied sie mich. Keines Blickes würdigte sie mich, kein Lachen, kein Wort und keine Nähe mehr. Ich hoffte nur noch, dass Viktor nicht eines Tages mit dem Höschen die Mädchen provozierte, um die Besitzerin aus der Reserve zu locken. Die Zeit verging, das Abi nahte und meine Tat lag schon eine Weile zurück. Als wir unsere Abschlussfeier planten, dachte niemand mehr an diesen Vorfall und alles drehte sich um die Feierlichkeiten. Die große Turnhalle wurde zur Festhalle und bald befanden wir uns alle in guter Stimmung auf dem Abschlussfest. Der neue Bürgermeister wollte an diesem Abend eine Rede halten, er war eigens dazu eingeladen und auch seine Frau sollte diesem Fest beiwohnen. Viktor ließ die Fetzen fliegen, er war außer sich vor guter Laune. Als das Bürgermeisterpaar die Halle betrat, zog Viktor das geraubte Unterhöschen aus seiner Hosentasche und begrüßte damit winkend die Eheleute. Zuerst registrierte niemand, dass Viktor mit einem Höschen winkte, aber plötzlich hielt die Ehrendame inne, wurde verlegen und ihr Gesicht bekam eine unerklärliche Rötung. Als der Bürgermeister den Slip erblickte, raste er auf Viktor zu, entriss ihm das kleine Stückchen edlen Stoffs und brüllte: „Was machst du Flegel mit dem Slip meiner Frau?“ Dabei schlug er ihm direkt seine Faust auf die Nase. Sofort spritzte Blut und Viktor fiel zu Boden. Der Bürgermeister hielt seiner Frau das Höschen vor ihr Gesicht und verlangte eine Erklärung. Sie schluckte, zuckte mit den Schultern und jammerte: „Ehrlich, Schatz, ich habe keine Ahnung wie er zu meinem Slip gekommen ist.“ Wutentbrannt schob er seine Gattin aus der Halle und auch Viktor hatte für diesen Abend genug. Mir war sofort bewusst, was ich angerichtet hatte. In der Türe stand meine Traumfrau, die ihre Eltern an diesem Abend begleitete. Wahrscheinlich, um sich mit fremden Feder zu schmücken, trug sie den Slip ihrer Mutter. Grinsend trafen sich unsere Blicke. Meine Freunde standen mit offenen Mäulern da und starrten mich an. Welche Gedanken nun in ihren Köpfen kreisten, konnte ich mir leibhaftig vorstellen, auch Viktor war sich sicher, dass meine Affäre die Schuld an seiner gebrochenen Nase trug. Paulina, so hieß die junge Dame, die mich mit dem Höschen ihrer Mutter verführen wollte. Niemals verloren wir ein Wort über die Wahrheit, die uns zusammenführte.


 

 

 Bastian

Es war früh am Tag. Das dunkelgrüne Gras war noch feucht, es roch alles so frisch. Der Wind wehte mit einer sanften Brise und ließ die Felder, an denen wir vorbeischlenderten leise flüstern. In der Ferne rief ein Habicht und Vogelgezwitscher hing in der Luft. Am Feldrand blühte roter Mohn, die Sonne brannte heiß vom wolkenlosen blauen Himmel und wir hielten uns fest an der Hand. Schweigsam gingen wir nebeneinander. Der Weg führte zum Wald, der sich am Eingang verengte und in einen schmalen Pfad verwandelte.
Das Ende war in unseren Köpfen, darum sprachen wir wohl auch kein Wort.
In den Baumwipfeln hallte ein monotones Rauschen, der Wald atmete, als wir durch das Unterholz streiften.
Bastian trug ein kurzärmeliges weißes Hemd, die obersten drei Knöpfe waren geöffnet und seine braune Haut schimmerte golden, wenn ein Lichtstrahl durch das Dickicht brach, doch sein Gesicht war gerötet, von der Anstrengung des Weges.
Plötzlich wichen die Bäume auseinander und eine Lichtung ward sichtbar, dabei fiel unser Blick auf den See, der unser Ziel war. Wir hatten noch den ganzen Tag vor uns.
Und hier wollten wir bleiben. Wir setzten uns ins Gras, unsere Gesichter friedlich überflutet vom Licht des Sommers. Bastian ging ein paar Schritte zum Seeufer, ich blieb an meinem Platz, folgte ihm lediglich mit meinen Augen. Bastian kauerte sich an das Ufer und ließ seinen Blick über das Wasser schweifen. Ich konnte sein Profil sehen, sein braunes Haar, sein weißes Hemd, leuchtend hob er sich ab, von dem Blau des Sees, das sich in der Ferne mit dem Blau des Himmels vereinte. Er sah so lebendig aus. Manchmal strich er mit seinen Fingern durch sein Haar.
Er rupfte sich einen Grashalm, steckte ihn in den Mund und kaute darauf herum. Bastian drehte den Kopf und sah mich an. Er lächelte zufrieden, dann erhob er sich und kehrte zu mir zurück.
Bastian liebte meine Nähe und ich liebte Bastian.
Schließlich
legte er sich neben mich und schlief ein. Von Zeit zu Zeit streichelte ein Windhauch unsere Körper und bewegte für einen Augenblick unser Haar. Er schlief wie ein Kind, das Gesicht entspannt und den Mund leicht geöffnet. Was mochte er träumen? Hin und wieder zuckten seine Mundwinkel und Bastian lächelte sanft. Er war bestimmt glücklich. Ich wachte über ihn und über seinen Schlaf.
So verbrachte ich den Nachmittag bis sich der Tag neigte.
Ich roch den Duft der Gräser, des Wassers, spürte den Wind und die Hitze der Sonne auf meiner Haut.
Bastian?
Und ohne Ende das Murmeln des Sees, das Wehen des Windes und ohne Ende die Dämmerung.
Bastian?
Er schlief, friedlich, ohne Frucht mit einem Lächeln auf seinem Gesicht, besiegt ohne Verlierer zu sein.
Bastian!
Ich bin mir sicher, er wacht nun über mich, aus einer anderen Sphäre.