Die Orientalin

 

Es war einmal und es war auch nicht, da rief ein Mullah seine Tochter zu sich, da es an der Zeit war, sie über das Wesen der Männer aufzuklären.

„Tochter hört“, so sprach er, „du bist nun alt genug zu wissen, wie es um die Männer bestellt ist. Dass sich diese um dich bemühen, ist dir nicht entgangen. Doch so hört, was ich berichten möchte. Eines Tages wird jemand kommen, dich ausführen wollen, jedoch nicht in guter Absicht. Zuerst reicht er dir seinen Arm, dann führt er dich von mir fort, ihr schlendert durch die Straßen zu seinem Haus und er wird dir sagen: „Es ist kalt, ich hole einen Schal der dich wärmen möge.“ Doch da er dich nicht alleine vor seinem Haus stehen lassen möchte, wird er dich bitten ihm in seine Gemächer zu folgen. Dort wird er dir einen Platz anbieten, auf wunderbar weichen Kissen, schließlich wird er versuchen dich mit Mokka und Köstlichkeiten zu verführen, oh meine Tochter, dann wird er sich auf dich werfen und dich schänden. Er wird dich, deinen Vater und deine Mutter schänden.“

Die Tochter lauschte mit Bedacht den Worten des Vaters und entgegnete verständnisvoll: „Ach Vater, mache dir keine Sorgen, ich werde Acht geben auf mich und ihm keine Möglichkeit bieten, mich schänden zu wollen.“

Nach einiger Zeit kehrte die Tochter aufgeregt von einem Spaziergang zurück, eilte zu ihrem Vater und berichtete was ihr widerfuhr. „Ach Vater, wie recht ihr hattet, mit den Männern. Zuerst lud er mich auf einen Spaziergang ein, dann blieben wir vor seinem Haus stehen und da es kühl war, bot er mir einen Schal an, der sich in seinen Gemächern befand. Da ich nicht alleine vor dem Haus stehen sollte, lud er mich ein, sein Haus zu betreten. Als ich nun hinter den Türen weilte, oh Vater, bot er mir einen Platz an, auf wunderbar weichen Kissen, dann wollte er mich verführen, mit Mokka und süßen Köst-lichkeiten, genau wie ihr berichtete. Doch es wurde euch und meiner Mutter keine Schande angetan, denn bevor er mich schänden konnte, warf ich mich auf ihn und schändete ihn.“

 

 

Die Orientalin von Friedrich von Amerling